21.06.2023 Grenfell. Tag 35 – 2068 Kilometer

Meine Position heute Abend

Der Ruhetage liegt hinter mir. Ich brauche wieder Bewegung. Zwei Nächte am gleichen Ort sind inzwischen ungewohnt. Da kommt eine leichte Unruhe auf. Das kompensiere ich dadurch, dass ich für heute die bisher längste Etappe in Angriff nehme: 130 Kilometer. Die Windbedingungen sind super. Es gibt trotz 250 Höhenmetern keine spürbaren Anstiege. In jedem Fall, werde ich heute die zweitausend Kilometergrenze überschreiten.

Letzter „Tim Hortons“ in Regina, erster Kaffee und ein paar Kohlenhydrate
Schmucklose Neubausiedlung am Stadtrand der Provinzhauptstadt

Regina zu verlassen, war eine aufwendige Angelegenheit. Ganze zwanzig Kilometer musste ich fahren, um das letzte Gewerbegebiet hinter mich zu bringen. Dann hatte ich wieder die gewohnte Perspektive vor dem Lenker: flaches grünes Land.

Prärie so weit das Auge reicht

Heute bekam ich auch die ersten Koyoten zu Gesicht. Im ersten Moment dachte ich, dass wären Wölfe. Dafür waren sie aber zu klein. Ich glaube, Wölfe gehen auch nicht vormittags spazieren.

Als ich das Handy im Abschlag hatte, waren die Koyoten weg.

So ziemlich genau zur Hälfte der heutigen Strecke, machte ich bei Indian Heat die zweitausend Kilometer seit Start in Vancouver voll. Für mich unerwartet schon nach 35 Tagen. Eigentlich  hatte ich für tausend Kilometer immer einen Monat eingeplant. Um so besser! Da bleibt mir mehr Zeit für die attraktiven Regionen.   Vielleicht schaffe ich es auch, bis Mitte September am Atlantik zu sein. Laut Carlton, meinem zwischenzeitlichen kanadischen Begleiter, fängt dann die Schlechtwetterperiode an.

Die Zweitausend Kilometer Marke
Historic Downtown Indian Head

Mein Zielort für heute ist Grenfell. Das ist eine gepflegte Kleinstadt. Die  Kommune leistet sich einen großzügigen Recreation Park mit Golfplatz und Schwimmbad. Zu meinen Glück gehört auch ein Campingplatz dazu. Der ist so gut wie nicht belegt. Ich konnte mir den schönsten Platz aussuchen. Es gibt alles was das Leben angenehm macht: Wasser, Strom und eine Dusche.

Das städtische Museum
Das obligatorische Kriegerdenkmal für die in Europa im ersten Weltkrieg gefallenen Männer der Stadt

20.06.2023 Regina. Tag 34 – Ruhetage

Ich bin jetzt neun Tage hintereinander gefahren. Es ist Zeit für den obligatorischen Ruhetag, den ich eigentlich jede Woche machen wollte. Praktisch ist das nicht so günstig, weil es ja nicht jede Woche einen Ort gibt, in dem es sich lohnt zu bleiben. Dazu kommt, daß ich wohl morgen die zweitausend Kilometer voll mache. Das hatte ich erst für Mitte Juli erwartet. Ich habe also Zeit.

Regina lohnt auf alle Fälle für einen Aufenthalt. Das ist die Hauptstadt von Sasketchewan. Die Stadt hat zweihunderttausend Einwohner, ist somit so groß wie Rostock oder Lübeck. Es gibt eine richtiges Zentrum mit ein paar Wolkenkratzern und massiven Gebäuden. Die „Altbauten“ sind aus der Zeit vor der Weltwirtschaftskrise, also gerade mal einhundert Jahre alt. Rundherum um das Zentrum findet man die übliche Schuhkarton-Architektur: Flach- und Zweckbauten. Die Wohnviertel für die betuchten sind meist vom Verkehr isoliert. Man findet dort meist gepflegte kleine Holzhäuser und Bungalows mit den obligatorischen Vorgärten und Garagenzufahrten.

Die Kneipenmeile ist 400 Meter lang.
Deutsche Akzente
Die zwei markanten Hochhäuser der Stadt.
Die Cornwall Street, Downtown Regina. Man versucht den First Nations immer irgendwie gerecht zu werden.
Art Deco. Da freut sich das Auge. Ein Verwaltungsgebäude

Die Stadt hat einen großen Erholungspark, der sehr gut in Schuss ist. Der Rasen ist gemäht, nirgends liegt Müll herum. Kaputte Parkbänke habe ich nicht gesehen.

Der Blick vom Wascana Parc zum Parlamentsgebäude

Zum Glück ist heute Montag. Ich kann ein paar Sachen regeln, die nach vier Wochen so anfallen. Ich war beim Friseur. Dem Waschsalon habe ich ja schon gestern einen Besuch abgestattet. Mein Fahrrad hat neue Pedale. Die letzten paar Tage knackte es schon verdächtig in den alten Teilen. Da ich schon die Erfahrung gemacht habe, mitten in einer Tour ohne Pedal dazu stehen, wollte ich dem lieber vorbeugen.

Nach dem Friseur …ich hab so und so meistens den Helm auf.

Zum Schluss habe ich noch meine Lebensmittel-Vorräte aufgefüllt. Mich. Auf der Strecke am Tankstellen einzudecken ist auf Dauer zu teuer. Essen muß sein. Ich schätze mal, dass ich pro Tag so mindestens dreitausend Kalorien mehr verbrauche, als an Tagen ohne Rad. Die muss ich immer auffüllen, sonst geht’s an die Substanz.

Das ist das, was ich für einen Tag so mitschleppe: in der Summe so ungefähr 1000 kcal. Den Rest zu den 3000 kcal muß ich unterwegs irgendwo abgrasen.

19.06.2023 Regina. Tag 33 – 1938 Kilometer

Meine Position heute Abend

Heute Nacht gab es ein Gewitter. Es hat gegossen wie aus Kannen. Ich lag im Zelt und wartete auf den Wassereinbruch oder darauf, dass Zelt sich im Wind selbstständig macht. Aber es hat gehalten. Es blieb stehen und ich blieb trocken. Gut, dass ich in ein gutes Zelt investiert habe. Jetzt stand der letzten Etappe vor dem Ruhetag nichts mehr im Wege. Es geht 80 Kilometer nach Regina. Das ist die Hauptstadt von Sasketchewan.

Der Highway ändert sein Gesicht. Es gibt Straßenbäume.

Ich hatte die meiste Zeit kräftigen Seitenwind. Besser als Gegenwind! Es gab jetzt sogar Straßenbäume. Das mach zwar nicht viel aus. Aber alles was hilft wird gewürdigt.

Zweites Frühstück für Big Daddy an der ersten Tankstelle.

Ansonsten ging es wieder stundenlang gerade aus. Wenn man geradeaus über den Lenker sieht, erwartet man gar nicht mehr, dass sich hinter den Horizont irgendetwas ändern. Irgendwann sind die Kilometer abgespult, man steht vor dem ersehnten Ortsschild und alles ist gut.

Sobald ich in Regina irgendwo halte, fragen mich Leute, was ich vorhabe und wie es denn so läuft. Inzwischen gibt es schon Respektbekundungen für die Strecke von Vancouver bis hierher. Oft gibt es noch ein „Thank you for travelling Sasketchewan“. So viel Freundlichkeit habe ich so noch nirgends erlebt. Auch auf den Campinggrounds dauert es keine halbe Stunde, bis sich jemand für mich interessiert und mir beste Wünsche mit auf den Weg gibt. Einsam ist man in Kanada nicht.

Ich war so schnell da, daß Zeit für eine Dusche für das Fahrrad war.

Die nächsten zwei Nächte schlafe ich im Hotel. Dann geht es wieder in die Wildnis. Ich habe es sogar noch in einen Waschsalon geschafft. Jetzt sind alle meine Sachen wieder richtig sauber. Somit habe ich morgen Zeit für Sightseeing.

18.06.2023 Moose Jaw. Tag 32 – 1857 Kilometer

Mein Plan, heute bis Regina zu kommen, ging nicht auf. Das wären 107 Kilometern. Gefahren bin ich diese Distanz schon oft. Das Problem ist heute der Gegenwind. Als ich morgens startete, war das alles noch im normalen Bereich. Es wurde jede Stunde heftiger. Dazu kam, daß an 15 Uhr zusätzlich noch Regen angesagt war. Also machte ich in der letzten Stadt mit Campingplatz Schluss. Es war ja egal, ob ich heute oder morgen in Regina bin. Zumal morgen die Sonne lacht und Rückenwind zu erwarten ist.

Die steife Briese lässt die Fahne im Wind stehen, wie ein Brett

Es ist schon ein nicht hoch genug zu bewertender Luxus, wenn man ein großes Zeitbudget hat. Außerdem bin ich schon knappe 800 Kilometer weiter, als meine Prognose.

Die Strecke war wie die letzten Tage: sanftes auf und ab, rechts grün, links grün und in der Mitte der vertraute Asphalt des Trans Canada Highways. Den Gegenwind muss man einfach wegdenken. Ich habe auf flacher Strecke einfach die Kette auf ein Bergritzel gelegt und habe wie ein Hamster getreten. So frisst man Kilometer für Kilometer, eben nur langsamer.

… grün grün grün…
Nebenstraßen sind auch nicht abwechslungsreicher
Klingt wie eine Textzeile von Metallica
Woanders warnen Schilder vor dem Hund. Hier ist die Frau des Hauses mit dem Nudelholz unterwegs.
Ein bisschen Idylle

Die Stadt Moose Jaw ist ganz interessant. Sie wurde vor 150 Jahren von der Eisenbahn-Gesellschaft gegründet. Hier gab es Wasser für die Dampfloks. Später wurde sie als Little Chicago berühmt. In der Zeit der Prohibition wurde hier der Alkoholschmuggel über die U.S Grenze organisiert.

Das Hammond Building hat mir am besten gefallen. Es ist nicht ganz ein Art-Deco-Bau, viel fehlt aber nicht. Es ist von 1912. Also fällt es zumeist in die Zeit

Das architektonische Highlight der Stadt: Hammond Building
Leider ist Sonntag. Der Radladen ist geschlossen. Sieht stylisch aus

Der Campingplatz ist gut organisiert, aber schon erheblich besser belegt. Ich habe wieder einen Stellplatz mit Strom und dem Klo in Reichweite. Der Platz liegt im Erholungspark der Stadt, am Moose Jaw River. Heute ist in Kanada Fathers Day. Entsprechend viel war los. Höhepunkt war – wie es dem Image der Väter gerecht wird – eine Car Show. Bis ich in meinen Schlafsack krieche, hat sich der Benzingestank verzogen.

Animalischer Besuch am Zelt

Mein Rad hat schon zwei Tattoos: BC für Britisch Columbia und AB für Alberta. In 4 Tagen kommt SK für Sasketchewan dazu.

17.06.2023 Besant. Tag 31 – 1821 Kilometer

Mein Standort heute Abend

Die Wetterprognose trieb mich heute wieder früh aus dem Schlafsack. Um Sieben saß ich auf dem Rad. Vorher habe ich sogar noch einen Kaffee in der Tankstelle des Ortes getrunken. Was mich so antrieb, war die Vorhersage von Gewitter am Nachmittag und Wind aus der „falschen“ Richtung.

Um halb Sechs sah es nach einem sonnigen Tag aus.

Mein Ziel war 80 Kilometer entfernt. Es gibt hier kaum Ortschaften. Zum Glück fand ich einen Campingplatz in erreichbarer Nähe, den ich als Ziel auswählen konnte. Die Bedingungen waren sehr gut. Die Sonne schien zwar nicht, aber die Temperaturen lagen über 15 Grad, gegen Mittag sogar um die Zwanzig.

Highlights auf der Strecke gab es ja kaum. Das allgegenwärtige Grünland wurde wieder etwas hügeliger. Ab und zu war ein See zu sehen. Verwunderlich, dass sie alle einen brakigen und fauligen Gestank verbreiten.

Ab und zu eine Farm…
…. sonst nur Grasland
Die Bäume am See sterben ab. Wahrscheinlich vertragen sie das Salzwasser nicht

Überrascht war ich, als ich plötzlich Berge von Salz an den Ufern des Chaplin Lake zu sehen bekam. Ich habe dann gelesen, daß das der zweitgrößte Salzsee Kanadas ist. Das es hier überhaupt Salzseen gibt, war mir nicht klar.

Die Ufer des Chaplin Lake. Schön ist anders.

Kurz vor dem Ziel habe ich meine Wasservorräte in Mortlach auffüllen wollen. Das gab mir die Gelegenheit, einen kanadischen Wochenendmarkt zu erleben. Die Hauptstraße war voll mit Ständen. Leider wurde nur Schnick- Schnack verkauft: selbstgemachter Schmuck, Seife usw. Die Leute waren wie aus dem Häuschen, also freute ich mich mit.

Der Markt von Mortlach
Wer wollte, konnte gegen Geld auf ein altes Auto eindreschen

Mein Campingplatz war wohl mal ein Referenz-Objekt der kanadischen Tourismusbehörde. Eröffnet wurde er 1963. leider sieht es aus, als wäre seit dem nichts weiter passiert. Egal, ich hatte einen Platz für mein Zelt, bevor es anfing zu Regnen. Mal sehen, wann der Sommer in Kanada beginnt?

Die behördliche Ehrentafel

16.06.2023 Morse. Tag 30 – 1741 Kilometer

Mein Standort heute Abend

Heute steht nur eine kurze Etappe an. Die. Strecke bis nach Regina, der Hauptstadt von Sasketchewan, lässt sich nicht gleichmäßig teilen.    Die Campgrounds sind so ungleich verteilt. Also hab ich heute nur kapp 60 Kilometer abgeradelt.

Der Wind war heute kein Thema. Er war kaum spürbar. Die Landschaft hat sich wieder etwas belebt. Es gibt sogar wieder Bäume. Ein paar Felder waren auch zu sehen.

Es wird abwechslungsreicher
Hubschrauber als Wetterfahne. Gleich hinter Swift Current

Die letzten Kilometer bin ich am Reed Lake entlang gefahren. Er wirkt wie eine riesige Pfütze, da es keinerlei Uferbewuchs gibt. Keinen Baum und keinen Strauch. Der See ist 14 Kilometer lang. Zum Vergleich, der Baldeney See bei Essen ist nur halb so groß. Die Kanadier haben den See zum Vogelschutzgebiet erklärt und trotzdem eine Straße mitten durch aufgeschüttet. Ganz  besonders wertvoll sind die Prämie-Möwen. Die heißen hier Franklin Gulls und sind hier genauso aggressiv wie an der Ostsee.

Der Reed Lake
Ein Damm durch einen See. Ich glaube, das wäre in Europa undenkbar

Ich habe meine frühe Ankunft genutzt, mein Fahrrad auf Vordermann zu bringen. Das Wichtigste war, die Reifen untereinander zu tauschen. Hinten ist das Profil schon fast runter und vorn sieht er noch aus wie neu. Bei der Gelegenheit habe auch gleich die Kette  und das Schaltwerk gereinigt. Das muss alles gut funktionieren. Es hängt viel davon ab, in dieser menschenleeren Gegend. Sasketchewan hat eine Bevölkerungsdichte von 2 Einwohner auf den Quadratkilometer. Australien hat 3,3 Einwohner auf den Quadratkilometer.

Montageständer gibt es überall

Der Campingplatz gehört wieder der Gemeinde. Alles ist tip top. Auf dem Gelände steht ein Sanitärgebäude mit Dusche und WC. Die Stellplätze haben Wasser und Strom. Das Ganze kostet 15 Dollar pro Nacht. das sind etwas mehr als 10 Euro. Das alles läuft über eine Kasse des Vertrauens. Ich habe 20 Dollar eingeworfen. Als der Gemeindemitarbeiter kam, um sie zu leeren, hat er darauf bestanden, mir 5 Dollar zurück zu geben.

Ich werde eine ruhige Nacht haben. Nachbarn gibt es nicht. Bisher bin ich der Einzige auf dem Platz. Dafür verläuft die Bahntrasse 50 Meter neben meinem Zelt. Irgendwie werde ich die Canadian Pacific Railway nicht mehr los

15.06.2023 Swift Current. Tag 29 – 1684 Kilometer

Mein Standort heute Abend

Heute vor vier Wochen bin ich in Vancouver gelandet. Zwei Tage später machte ich mich auf den Weg Richtung Osten. Das kommt mir schon wie eine Ewigkeit vor. Jeder Tag voller neuer Eindrücke, das füllt so einen Monat. Sonst sammelt man so einen Sack voller neuer Eindrücke in einem halben Jahr. Ein Viertel der Strecke ist geschafft. Ich liege also mehr als gut im Plan.

Guten Morgen Highway Nr.1. Sieht man, daß es nur elf Grad sind?

Carlton, mein kanadischer Begleiter der letzten zwei Tage, biegt nach Süden ab. Er hat mir einige nützliche Tipps für die Fahrt durch seine Heimat gegeben. So habe ich den Reifendruck auf beiden Rädern auf den maximalen Wert erhöht. Danach war ich erheblich Kraft schonender unterwegs. Die Gefahr sich immer zu Pinch Lecks einzufangen ist geringer. Das passiert, wenn der Reifen bei Unebenheiten durchschlägt. Für Ontario hat er mir noch eine Moskito- Kopfhaube geschenkt. Damit sehe ich aus wie ein Imker. Das wäre aber unbedingt nötig, meint er. Er wusste auch, das nach dem Labour Day, dem ersten Montag im September, das Wetter schlecht wird. Ich solle mich darauf einstellen oder bis dahin am Ziel sein.

Danke, Carlton!

Heute mache ich den Rest der Strecke zu nächsten Stadt klar. Ziel ist Swift Current. Hier gibt’s drei Mal „Tom Hortons“, also hat die Stadt auch eine gewisse Bedeutung. Die Strecke beträgt nur 56 Kilometer. Das wäre aber gestern nicht mehr zu schaffen gewesen.

Die Kulisse wechselt selten. Hat inzwischen aber auch ihren Reiz.

Die Besonderheit der heutigen Strecke: 69 Km/h Rückenwind. Ich bin noch nie bei einer solchen Windgeschwindigkeit Rad gefahren. Das geht auch nur, wenn der Wind von hinten kommt. Wenn ich aus irgendeinem Grund mal die Richtung wechseln musste, hatte ich Probleme, das Rad zu halten. Dazu kommt, dass die Temperaturen in der Nacht um fast 15 Grad abgesackt sind. Ich mußte die warme Jacke wieder auspacken. Die Fahrt war also trotz der Kürze kein Zuckerlecken.

Die Leute hier sind stolz auf Öl- und Gasförderung. Medicine Hat nennt sich z.B. „Gas City“. Windräder sie man nicht.

Ich war froh, daß ich Swift Current so schnell erreicht habe. Eigentlich wollte ich auf einen Campingplatz. Als ich davor stand, war mir klar, daß bei dem Sturm kein Zelt aufzubauen ist, geschweige denn stabil steht. Ich habe mir das billigste Motel gebucht. Da habe Gelegenheit meine kaputten Fahrradschläuche zu flicken und mich mental auf die nächsten 175 Prärie-Kilometer vorzubereiten.

14.06.2023 Gull Lake. Tag 28 – 1628 Kilometer

Mein Standort heute Abend

In der Hoffnung auf den vorher gesagten Rückenwind bin ich heute morgen auf mein Rad gestiegen. Die Hoffnung hat sich erfüllt. Ein schönes Gefühl die 83 Kilometer in Angriff zu nehmen in der Gewissheit, das man ohne große Anstrengung an Ziel kommt. Heute begleitet mich noch mal Carlton, der Bikerpacker aus Vancouver.

Wind sieht man nicht, aber er ist da und heute nützlich
Prärie kommt ohne Highlights aus.
Werbung wie aus einem alten Film. Inzwischen wahrscheinlich zu schade, um es abzubauen
Manchmal scheint sogar die Sonne

Die achtzig Kilometer waren in vier Stunden Geschichte. Wir waren zur Mittagszeit auf dem kommunalen Campingplatz. Hier war wieder Self Check In. Geld in einen Umschlag, in den Briefkasten damit und Zelt aufbauen. So einfach kann das gehen. Der Platz ist in einem super Zustand. Von den WCs kann sich sanifair eine Scheibe abschneiden.

13.06.2023 Maple Creek. Tag 27 – 1545 Kilometer

Heute stehen 111 Kilometer auf dem Plan. Es soll heiß und windig werden. Da ich schon um Sieben auf dem Rad saß, traute ich mir zu, den Highway in der Stadt zu benutzen, um Medicine Hat wieder zu verlassen. Wie oft, lege ich beim nächsten Tim Hortons oder einer Tankstelle einen Kaffeestopp ein. Danach folgt dann der scharfe Start.

Morgenstimmung. Aufbruchstimmung

An jetzt bin ich auf dem Highway Nr.1, dem Trans Canadian Highway unterwegs. Da sich der Verkehr über den Tag hinweg nicht verdichtete, ist für mich die Entscheidung gefallen: bis auf weiteres fahre ich auf dieser wichtigsten Straße Kanadas. Dafür spricht auch, daß die Infrastruktur besser ist als auf allen anderen Straßen. Die Standstreifen sind breit und in gutem Zustand. Daß an und zu mal ein Auto vorbei kommt, kann auch hilfreich sein.

Ab jetzt der Wegweiser. Vielleicht bis an den Atlantik

Was gestern noch Ackerland ist heute wieder Prärie. Es gibt ab und zu mal eine Rinderfarm und sonst nichts. Man gewöhnt sich an den Anblick und freut sich über jeden Kleinigkeit, die Abwechslung ins Bild bringt

Endlose Prärie. Nicht mal Windkrafträder. Wind gibt es hier genug.
Eine Abwechslung Blühende Kakteen
Noch eine Abwechslung: Ein Stier-Denkmal

Zur Hälfte der Strecke, habe ich die Grenze von Alberta zu Sasketchewan überschritten, wahrscheinlich auch bei genau 1500 Kilometern. Das ist jetzt die dritte Provinz die ich heimsuche. Es geht wie das Pretzel Backen

Grenzüberschreitung
Plötzlich gibt es auch wieder Berge

Nachmittags überholte mich dann ein anderer Bikepacker, auch auf dem Weg an den Atlantik. Meinen zweiten Platten haben wir dann gemeinsam geflickt. Zusammen sind wir bis zum Campingplatz gefahren und haben abends gemeinsam beim Italiener gegessen und ein Bier in der ortsansässigen Brauerei getrunken. Es ist nur ein paar Jahre jünger als ich und ist Ingenieur aus Vancouver.

12.06.2023 Medicine Hat. Tag 26 – 1434 Kilometer

Meine Position heute Abend.

Die ruhige Nacht auf dem Campground von Bow Island geht wie immer um 6 Uhr zu Ende. Irgendwie habe ich meinen Rythmus gefunden. So gegen Acht habe ich dann alles erledigt und sitze auf dem Rad.

Beste Wünsche auf dem Weg zum Klo
Ich spare jetzt Gas! Das ist ein aufgeschnittenes Lüftungsrohr. Drei Löcher rein und fertig.
Auf der erfolglosen Suche nach einem Kaffee in Bow Island habe ich wenigstens erfahren, dass ich in der Hauptstadt der Bohnen übernachtet habe.

Vor mir liegen 60 Kilometer durch die Einöde der Badlands. Der Tag fing an, wie der letzte aufgehört hat, mit geradeaus fahren. Heute war erheblich mehr Verkehr, weil Montag. Der Standstreifen ist breit und in gutem Zustand. Also keine große Belastung.

Bohnen, Bohnen Bohnen

Aufregenstes Ereignis des Tages: mir kommt ein Haus entgegen. Der Verkehr wurde angehalten. Zuerst erwartete ich Pferde. Ich hatte den Verkehrsposten falsch verstanden. „Horse Move“ dachte ich, er hat aber „House Move“ gesagt. Als dann das Haus sah, war ich doch enttäuscht.

Die Kanadier ziehen mir dem ganzen Haus um. Da brauchen sie die Schränke nicht ausräumen.
Die Kanadier spielen Krieg gegen Deutschland. Ein Panther-Nachbau auf einer Paintball-Spielwiese
Auffallend viele deutsche Namen am Wegesrand

Gegen Mittag war ich dann in Medicine Hat. Ich bin noch ein paar Kilometer weiter gefahren und habe mit Erfolg auf einem Campingplatz am Stadtrand eingecheckt. Dann wollte ich die Zeit nutzen und Sightseeing machen. Schließlich ist das die fünftgrößte Stadt in Alberta. Die Stadt ist ziemlich bergig. Also gestaltet sich mein Ausflug doch anstrengender als gehofft. Die Stadt hat mich enttäuscht. Sie ist wieder eine Mischung aus Shopping-Center und Gewerbegebiet.

Die fünfziger Jahre lassen grüßen
Downtown: ein Cult-Café
Eine ansehnliche konventionelle Kirche
Das Kunstzentrum
Die Townhall
Das Saamis Tepee i: World’s tallest tepee. Ist 65 Meter hoch.